Focus Stacking eröffnet neue Sehweisen auf winzigste Details. Damit beseitigt diese Softwareseitige Methode der Bildverbesserung die Beugungsunschärfe, die auftritt, wenn Objektive sehr stark abgeblendet werden. Gäbe es keine Beugungsunschärfe, hätte sich kaum jemand die Mühe gemacht, so eine Software zu entwickeln. Wir würden die Blende so weit wie möglich schließen, stets in der Hoffnung auf große Schärfentiefe. Mit Castel-Micro, einem Einstellschlitten mit schrittmotorgesteuerter Schrittweitenverstellung hat Novoflex am Markt eine Alleinstellung im Fokusstacking und in der Makrofotografioe. Wem Castel Micro zu teuer ist, der kann mit der manuellen Version Novoflex Castel M mit etwas mehr Zeitaufwand beinahe identische Ergebnisse erzielen.
Letztlich ist die eingangs erwähnte Beugungsunschärfe in erster Linie von der Schließung der Blende abhängig, doch auch die Sensorgröße und die Auflösung des Sensors beeinflussen den Effekt, sodass es je nach Sensorgrößen Standardwerte gibt, ab denen Beugungsunschärfe die Aufnahmen weniger scharf auf dem Sensor abbildet. So setzt beim Aufnahmeformat Micro-Four-Thirds die Beugungsunschärfe bereits bei Blende 6,3 ein, bei APS-C ist es die Blende 8 und beim Vollformat die Blende 11. Beim Mittelformat ist auf alle Fälle ab Blende 16 mit Beugungsunschärfe zu rechnen. Wenn wir also die Blende nicht beliebig schließen können, ist es sehr sinnvoll, Aufnahmen mit unterschiedlicher Schärfezone miteinander zu einem Gesamtbild mit großer Schärfezone zu kombinieren, und schon sind wir bei den Chancen des Focus Stacking. Novoflex als Spezialist für Zubehör in der Makrofotografie hat bereits 2018 den schrittmotorgesteuerten Einstellschlitten Castel Mikro vorgestellt, der Fokusstacking unabhängig von Kamerasoftware macht.
Makroobjektiv oder Umkehrring und Einstellschlitten
Ein spezielles Makroobjektiv ist in guter Qualität auch eine Preisfrage. Für Nikon, Canon oder Sony werden Makroobjektive in den Preisklassen zwischen 300 und 1600 Euro angeboten. Neben der grundsätzlich wünschenswerten hohen Abbildungsqualität ist der Abbildungsmaßstab ein wesentliches Kriterium bei der Makrofotografie. Ist dieser mit 1:1 angegeben, wird das Motiv vor der Kamera in gleicher Größe auch auf dem Sensor abgebildet. Wer doppelte Vergrößerung sucht, kommt mit herkömmlichen Makroobjektiven schnell an die Grenzen. Dafür gibt es Zwischenringe, Balgengeräte oder Umkehradapter. Auf meiner GFX 50 SII habe ich, wie in FineArtPrinter 03/23 bereits berichtet, den Umkehradapter FUG Retro von Novoflex ausprobiert und festgestellt, dass in Umkehrposition mit einem Standardzoom Vergrößerungen selbst von 1:2 problemlos möglich sind. Was also liegt näher, als den Retroadapter zu nutzen und in Kombination mit dem in Retrostellung montierten Fujifilm GF 45-10 mm f4 den Einstellschlitten Novoflex Castel-M zu testen? Der Einstellschlitten ist ein Universalgerät, das einmal angeschafft für alle Kamerasysteme verwendbar ist. Er dient lediglich dazu, die Distanz zum Aufnahmeobjekt in kleinsten Schritten kontrolliert zu verstellen. Die automatische Version von Casdel Micro verfügt über ein separates Steuerdisplay, auf der sich die Anzahl der Aufnahmen und die Schrittweiten programmieren lassen. Bei dem von uns genutzten Novoflex Castel M wird die Schrittweite von Hand verstellt.
Castel-M: Präzisionsmechanik für neue Bilder aus der Makrowelt
Ich mag es, wenn man ein Gerät mit mechanischer Präzision bedienen kann. Das Gefühl war sofort geweckt, als ich den Einstellschlitten Castel-M von Novoflex in die Hand nahm. Knappe 700 Gramm Metall von gut 20 cm Länge liegen in der Hand. Grau und Blau veredelte Oberflächen und eine Skala für die per Hand zu bedienende Entfernungseinstellung. Über einen kleinen Hebel stellt man den Wirkungsgrad der Verstellung ein. Diese Schrittweitenverstellung ist das Geheimnis des Gerätes, das es für professionelle Zwecke auch mit motorischer Verstellung und Programmierung gibt, dann allerdings für etwa 2099 Euro, während Castel-M mit 649 Euro berechnet wird. Novoflex Castel-M ermöglicht im Makrobereich Focus Stacking in einer unübertroffenen Präzision möglich.
Welche besonderen Bilder kann man mit Novoflex Castel-M machen?
Durch die Feinjustierung des Einstellschlittens in wiederholbaren winzigen Schritten von bis zu 0,018 mm ermöglicht Castel-M eine extreme Präzision und Wiederholbarkeit bei den Aufnahmeserien, die für Focus Stacking sinnvoll sind. Je mehr Aufnahmen mit minimal unterschiedlichem Fokus, desto größer lässt sich der Schärfebereich in der Makroaufnahme darstellen. Schnell stellt man bei der Makrofotografie fest, dass in Abbildungsbereichen von 1:1 die Schärfentiefe je nach Blende deutlich geringer als ein Millimeter ist. Selbst bei Abblenden auf 11 lässt sich der Schärfebereich nicht auf jene Bereiche ausdehnen, die man gern zeigen würde, beispielsweise die Staubgefäße einer Blüte oder die Struktur von Stängeln oder vertrockneten Blütenblättern. Um also besondere Makroaufnahmen zu schaffen, deren Detailreichtum den Betrachter fasziniert, brauchen wir neben der Vision, wie unsere fertige Aufnahme aussehen könnte, auch den Mut, uns auf neue Methoden einzulassen.
Solides Stativ und schwingungsfreier Boden sind unverzichtbar
Je präziser die Aufnahmen ohne Schwingungen belichtet werden, desto leichter hat es später die Software bei der Verrechnung der Einzelbilder miteinander. Aus diesem Grund habe ich mich dafür entschieden, nicht im Haus, sondern draußen im Carport zu fotografieren. Der Untergrund ist schwingungsfrei, was in Wohngebäuden, speziell in den oberen Stockwerken, sehr wohl zu hinterfragen ist. Im Carport ist es zwar nicht perfekt windstill, doch lassen sich hier Luftbewegungen eher ausschalten als Schwingungen von Geschoßdecken.
Um winzige Objekte aus dem Garten zu fotografieren, lege ich diese auf eine Leuchtplatte von Kaiser, die ich zum Digitalisieren von Dias durch Abfotografieren nutze. Diese Leuchtplatte im Format 32 x 22,8 cm hat ein hervorragendes Licht mit 5000 Grad Kelvin bei einem CRI-Wert (CRI = Color Rendering Intent) von 95. Das Licht dieser Platte verfügt also über eine gleichmäßige Spektralverteilung über alle Farben des sichtbaren Lichtspektrums. Die Objekte wirken auf dem hinterleuchteten Untergrund sehr transparent und fast inszeniert,.
Meine Idee war, die Objekte mit dem Licht von unten transparent und strahlend wirken zu lassen. Da ich jedoch im Carport kaum Licht von oben habe, stellte ich eine LED-Leuchtplatte von Pro-Lite (bei www.dedoweigertfilm.com) mit 60 Watt auf ein Stativ und neigte diese über meinen Aufbau, der voluminös ist. Kamera, Umkehrring samt Objektiv inklusive Castel-M wiegen knapp 3 Kilogramm und stehen auf einem Stativ. Offen gesagt, war ich zunächst einmal verunsichert, ob der Magic-Ball-Stativkopf die enorme Belastung trägt. Kein Problem. Bemerkenswert auch, wie bombenfest sich die Klemmplatte des Stativkopfs um das Gegenstück des Novoflex Castel-M verschließen lässt. Schaut man sich die diversen Möglichkeiten von Castel-M in der Gebrauchsanleitung genau an, ahnt man, was da noch alles möglich ist. Beispielsweise in Kombination mit dem Balgenaufsatz Castbal-Pro sowie entsprechenden Objektiven lässt sich Focus Stacking auch in der anspruchsvollen Produktfotografie einsetzen, mit dem Vorteil, dass sich lediglich die Kamerastandarte bei der Verstellung durch Castel-M ändert und nicht die Objektivstandarte, was bei der Fotografie von reflektierenden Objekten durchaus vorteilhaft sein kann.
Meditative Fotografie mit 36 Belichtungen
Um Castel-M zu nutzen, stellt man die Kamera auf manuellen Fokus, ebenso die Belichtung. Der Umkehradapter überträgt alle Informationen zwischen Objektiv und Kamera, sodass ich im elektronischen Sucher ein perfektes Bild und volle optische Kontrolle über Motiv, Fokussierung, Zeit und Blende habe. Nun gilt es, den Startpunkt für die Aufnahmeserie mit veränderbarem Fokus zu suchen. Habe ich diesen festgelegt, sollte ich einschätzen, wie viele Belichtungen ich benötige, um einen sinnvollen Bereich des Motivs scharf darzustellen. Da die Entfernung an dem runden Fokusrad am hinteren Ende des Novoflex Castel M vorgenommen wird und ich den Level 2:1 für die Schrittweiteneinstellung wähle, wird bei jeder Drehung um einen Rastpunkt der Einstellschlitten samt Kamera um 0,067 mm verschoben. Zehn Aufnahmen erfordern Klicks am Einstellrad und ergeben eine Distanzänderung von 0,67 mm, also sind mindestens 20 Teilbilder sinnvoll. Mit geplanten 30 Aufnahmen habe ich also exakt 2 mm Tiefe fotografisch abgearbeitet und mit jeweils unterschiedlichen Fokuspunkten festgehalten. Castel-M verlockt mich zu immer weiteren Versuchen mit Brennnesseln, mit Blüten vom Phlox, mit einem Kartoffelkäfer samt Blatt. Je tiefer man in die Makrowelt eintaucht, umso spannender.
Wie funktioniert der Einstellschlitten Castel Micro genau?
Das Geheimnis dieses feinmechanischen Präzisionswerkzeuges ist eine kleine Gewindestange, die die auf dem Einstellschlitten sitzende Kamera definiert bewegt. Einstellbar sind verschiedene Schrittweiten. Beim Abbildungsmaßstab von 2:1 wird mit jeder Rastereinstellung am Einstellrad die Kamera um die auch von mir genutzten 0,067 mm verschoben. Zwölf Rasterschritte entsprechen einer ganzen Drehung am Einstellrad. Bei den hier gezeigten Aufnahmen mit dem Fujifilm GF 45-100 mm f4 in Retrostellung habe ich mit dieser Schrittweitenvariante bis zu 36 Teilbilder fotografiert. Selbstverständlich kann man noch feinere Schrittweiten – vergleichbar mit einer Getriebeuntersetzung – wählen. Dazu gibt es einen kleinen Verstellhebel am Einstellrad. Die nächstkleineren Schrittweiten wären 0,038 mm, gefolgt von 0,024 mm, die für den Maßstab 4:1 empfohlen werden, und die Schrittweite 0,018 mm, die bei einem Maßstab von 5:1 angesagt ist. Diese Werte sind aufgrund von Berechnungen der Beugungsunschärfe auch in der Bedienungsanleitung zu dem Einstellschlitten exakt erläutert. Alternativ dazu lässt sich der Schlitten auch komplett ohne Rastschritte verwenden. Dafür wird lediglich mit der auf das Fokusrad gravierten Skala gearbeitet. Eine 360-Grad-Umdrehung des kugellagergeführten Einstellrades entspricht hierbei einem Vorschub des Gleitstücks um genau 0,8 mm. Die Skalierung ermöglicht wiederholgenaue Schritte von 0,01 mm Vorschub.
Die Praxis: Die Kamera mit der X-App auslösen – ein meditativer Prozess
Nach der Ausschnittwahl und dem Festlegen des ersten Fokuspunktes ist der Rest geradezu meditativ. Dank der erschütterungsfreien Fernauslösung via Smartphone und X-App von Fujifilm brauche ich lediglich das Fokusrad des Novoflex Castel-M vorsichtig zu drehen, um die Entfernung zum Objekt um den Bruchteil eines Millimeters zu verändern. So komfortabel kann Fotografie sein: Das Smartphone in der linken Hand, auslösen, die rechte Hand dreht im 5-Sekunden-Rhythmus am Fokusrad, die linke löst via Smartphone aus, weiterdrehen, nächste Aufnahme. Lässig. Zunächst sind meine Erwartungen gedämpft, denn die Teilbilder sind nur bedingt dazu geeignet, das Endergebnis perfekt voraussehen zu können.
Aus pragmatischen Gründen entscheide ich mich, zunächst nur noch in JPEG zu belichten, um die Daten bequem verarbeiten zu können. Für höchste Qualität ist es selbstverständlich sinnvoll, die Belichtungen in JPEG und RAW parallel zu speichern, um dann die Entwicklungseinstellungen einer Master-Entwicklung auf alle weiteren Belichtungen zu übertragen, ehe der eigentliche Stacking-Prozess in Photoshop oder besser und schneller in Helicon Focus beginnt. Siehe nebenstehenden Kasten. Als ich die ersten Serien in Photoshop miteinander verrechnet habe, steigt meine Laune merklich, denn ich kann nur staunen, welche Bildwirkung von den Makroaufnahmen und ihrem faszinierenden Detailreichtum ausgeht.
Fazit:
Der Blick auf die kleinen Details wird durch Makrofotografie geschult. Wer die Natur und ihre Einzigartigkeit ohne große Reisen entdecken möchte, hat mit Focus Stacking und entsprechenden Optiken, sei es Makroobjektiv oder Retroadapter, und dem Einstellschlitten Castel-M die Möglichkeit, individuelle Bildideen umzusetzen, deren Schönheit und Zeitlosigkeit begeistern können.