Fleckhaus in der Villa Stuck: Inspierend für Blattmacher

Doppelseite aus dem FAZ-Magazin, Gestaltung Willy Fleckhaus

München, 4. Juni 2017. Wer auch immer Zeitschriften gestaltet oder sich ernsthaft mit Fotograf beschäftigt, irgendwann fällt der Name Willy Fleckhaus. Wegweisende Gestaltungskonzepte, vorwiegend für Zeitschriften, sind das Vermächtnis von Fleckhaus. Er adelte Fotografen dadurch, dass er aus Ihren Fotos, den Texten kombiniert mit seiner Gestaltung Gesamtkunstwerke schuf, die Design-Geschichte schrieben. Am vergangenen Mittwoch wurde in der Münchner Vila Stuck die von Hans-Michael Koetzle kuratierte Ausstellung „Willy Fleckhaus“. Design, Revolte, Regenbogen“ eröffnet. Bis 20. September.

Aufmacher

Will Fleckhaus verkörperte den Begriff des Art-Directors

Von Hermann Will, Chefredakteur FineArtPrinter

Sicherlich war es in den 60er Jahren einfacher für einen Gestalter, in Ruhe die verschiedenen Entwürfe miteinander abzugleichen, abzuwägen, zu diskutieren. Heute schwebt über allem das Diktat der Ökonomie. Alles soll schnell gehen, schließlich hat eine Redaktion nicht nur das Printprodukt als Gestaltungsaufgabe, sondern füttert neben der eigenen Website auch noch die Social-Media-Kanäle. Dennoch stellte sich mir beim Betrachten der ausgestellten Doppelseiten von Twen und FAZ-Magazin die Frage, warum heute die Gestaltung, speziell beim Editorial Design, nicht mehr die Maßstäbe setzt, nicht mehr den Diskussionsstoff liefert, wie vor fünf Jahrzehnten?

Wesentlicher Grund dafür ist sicherlich, dass Printerzeugnisse heute nicht mehr das Privileg genießen, gesellschaftliche  Entwicklungen exklusiv zu begleiten. Diese Rolle teilen sich heute die Zeitungen und Magazine mit den  TV-Sendern und mit den Portalen im Internet sowie den Social-Media-Plattformen, in denen jeder auch Publizist ist. Und: Bis Printerzeugnisse verfügbar sind, ist der Nachrichtenschwall längst durchs Netz zum Verbraucher geflossen. Das allein ist jedoch kein Argument gegen Magazine, deren Aufgabe es heute eher ist, dem Leser Orientierung zu bieten, welche Entwicklungen wie einzustufen sind.

Der wesentliche Vorteil einer Magazinseite, verglichen mit einer Web-Präsentation, liegt in der Gestaltung. Je nach verwendetem Display und je nach Monitoreinstellung wirken eine Webseite oder auch eine App, speziell wenn diese responsiv angelegt ist, unterschiedlich. Von ultimativer Gestaltung kann man also online nicht sprechen, während die gut gestaltete Magazinseite, auch als PDF, immer so ausschaut, wie der Designer dies festgelegt hat.

Print zu gestalten hat etwas ultimatives,
während Websiten vergänglich sind

Sicherlich gibt es Themen, bei denen die Gestaltung der Präsentation nachrangig ist. Dennoch, der Mensch will einerseits etwas wahrnehmen, leidet aber andererseits unter immer kürzerer Aufmerksamkeitsspanne. Liegt aber hier nicht auch die Chance, durch visuell gut aufbereitete Themen in Magazinen die Aufmerksamkeit des Publikums verstärkt zu binden? Die Auswahl an relevanter Information in den Socialmedia-Media-Kanälen zwischen kruden Nachrichten und Katzenvideos, die der vermeintliche Publizist gerade seinem Publikum vorsetzt, ist für viele der täglich 23 Millionen Facebook-Nutzer häufig vertane Zeit.  Gut gestaltete Magazine sind besonders für Spezialthemen eine interessante Alternative, die allerdings auch kostet. Doch langsam lernen Verbraucher die Qualität kostenpflichtiger Qualität wieder schätzen. Das lässt hoffen.  

Grafiker sollten wieder versuchen, den Rechner
erst einzusetze, wenn das Konzept steht

Nach dem Besuch der Fleckhaus-Ausstellung sehe ich mich aber auch mit der Frage konfrontiert – ob die Fülle an Möglichkeiten, die einem Gestalter heute mit den Programmen Indesign und Photoshop zur Verfügung steht, manchen überfordert? Fleckhaus war in den 60er Jahren in seiner Rolle als Zeitschriftengestalter auch Auftraggeber für die nachgeordneten Berufe des Reprografen, des Setzers und des Metteurs. Allerdings gab es einen wesentlichen Unterschied zur heutigen Zeit: Der Gestalter brauchte zunächst die Vision, was er aus dem ihm vorgelegten Bildmaterial in Kombination mit den Texten und begrenzt durch das Doppelseitenformat wie machen wollte. Diese Vision wurde grob skizziert, dann dem Reprografen kommuniziert, der für das Klebelayout die schwarzweiße Bildkopie in Große und Ausschnitt erstellte. Diese Layoutvergrößerung klebte der Grafiker mit Fixogum (Kleber) auf Layoutbögen, montierte Blindtext und Überschriften ein und berechnete die Textmengen, die der Redakteur in seinen Manuskript für Vorspann, Lauftext und die diversen Bildunterschriften schreiben durfte. Ausgangspunkt war also eine Vision, die Schritt für Schritt konkreter wurde. Die zur Verfügung stehenden Mittel allerdings waren, verglichen mit aktuellen Layoutprogrammen, äußerst (!) bescheiden.

Wenn ich meine Erinnerungen aus den frühen 80er Revue passieren lassen, dann fällt mir vor allem eines auf: Grafiker waren beinahe grundsätzlich hungrig danach, eine ungewöhnliche Gestaltung auszuprobieren. Formsatz kostete Aufschlag, da letztlich ein Setzer die Vision des Gestalters nach Maßangaben wie Radius etc. umsetzen musste. Je filigraner die Ideen, desto teuer, desto interessanter, desto besser fürs Ego des Gestalters. Zitate typografisch aufwerten, Initiale aus besonderen Schriften zu bauen, kurzum – alles zu tun, was mehr als der Standard war, das machte einen guten Gestalter aus.

Heute vereint der Grafikdesigner in seinem Rechner den Reprografen, den Schriftsetzer und er ist der Gestalter, der all das machen kann, ohne dass es zusätzliches Budget erfordert. Sind sich Grafiker im Klaren darüber, welchen Kompetenzzuwachs ihr Beruf  in den letzten Jahrzehnten erfuhr? Editorial Design veredelt die Arbeit des Autors und verkauft den Esprit des Autors, des Fotografen und des Redakteurs als ein visuelles Gesamtwerk, das mehr ist, als die Summe seiner Teile. Doch immer wieder landen auch auf meinem Tisch Entwürfe, denen anzusehen ist, dass man eine Layoutvorlage aus einem längst gedruckten Heft mit den aktuellen Inhalten füllte. Das mag effizient sein, führt aber meist dazu, dass die Chance zur individuellen Gestaltung, vom Grafiker nicht einmal in Betracht gezogen wurde.

Ich würde mir Wünschen, dass bei den Grafikern das Bewusstsein wächst, dass die Gestaltung von Print, die einzigartige Chance bietet, der Nachwelt auch etwas Vorzeigbares zu hinterlassen. Wenn ich in den wenigen Bänden meines jungen Magazins FineArtPrinter oder gar im Design-Magazin novum, das meine Mitarbeiter seit 1999 redaktionell betreuen, blättere, dann wird deutlich, dass gut gestaltete Magazine nicht nur Transportmedium für aufbereitete Informationen, sondern auch hochwertige Dokumente ihrer Zeit sind. Visuell gelungene Magazinseiten vermitteln eine einzigartige Wertigkeit. So wie die Macher die Seiten gestaltet haben, sieht sie der Rezipient, auch noch nach Jahrzehnten. Wem das nach dem Besuch der Fleckhaus-Ausstellung klar wird, der hat viel gewonnen.

Vielleicht spielen Sie mal als Grafikdesigner einen Arbeitstag Fleckhaus. Dazu benötigt man in erster Linie Layoutbögen auf denen man die Doppelseiten skizziert, ersatzweise genügt auch ein Block im Format A3 auf dem die Spalten der zu gestaltenden Doppelseite aufgezeichnet werden. Auch wenn Sie den späteren Entwurf nur grob anlegen, werden Sie schnell davon begeistert sein, wie effizient es ist, den Rechner erst zu nutzen, wenn die Gestaltung grob festgelegt ist.

Doppelseite

 Doppelseite aus "Twen"

 

Michael_Friedel

Autogrammstunde: Fotograf Michael Friedel (mitte), Ehrgast bei der Ausstellung