Bogdan Dziworski: Blende f/5.6

21.09.2018 bis 20.12.2018

Warszawa 1964
Glückliche Momente

Vom 22. September bis 21. Dezember 2018 präsentiert die Berliner Galerie Hilaneh von Kories das fotografische Werk des polnischen Filmemachers und Fotografen Bogdan Dziworski (*1941). Er zählt zu den wichtigsten Vertretern des Avantgarde- und Experimentalfilms im polnischen Kino. Gleichwohl er in seinem Heimatland zu den renommiertesten Bildgestaltern gehört, ist sein Werk in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Insbesondere seine fotografischen Aufnahmen sind eine Entdeckung.

Seit den Sechzigerjahren hat Bogdan Dziworski ein einzigartiges Werk geschaffen, das ihm schon oft den vergleichenden Ehrentitel einbrachte, er sei „der Cartier-Bresson Polens“. Seine Aufnahmen entstanden ohne Auftrag und werden in dieser Ausstellungsauswahl zum Teil erstmals ausgestellt. Seine kontrastreichen analogen schwarzweißen Bilder geben Einblick in den Lebensalltag in polnischen Städten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Doch die Motive wirken auch nach fünfzig Jahren nicht nostalgisch oder aus der Zeit gefallen, sondern sind überraschend zeitlos. Seine lebensfrohen Motive fand der Fotograf vornehmlich auf den Straßen der urbanen Vielfalt der Städte. Dziworski fängt dabei Szenen aus dem Alltag der Menschen ein: jung und alt, schön oder hässlich, glücklich oder traurig, gezeigt wird ein Kaleidoskop des Lebens. Meist wird die Atmosphäre auf den Bildern von einer fröhlichen Leichtigkeit bestimmt. Im Mittelpunkt stehen dabei oft die Gesten und Gesichter von Kindern und Jugendlichen beim Spiel auf Straße oder ersten zarten Annäherungsversuchen. Jedes Bild kann eine ganze Geschichte oder Anekdote erzählen, die entweder poetisch oder auch amüsant sein kann. Kein Wunder, dass einige Motive dabei wie Film Stills aussehen, die auch einem längeren Filmprojekt entnommen sein könnten.
Nur scheinbar entstanden seine Aufnahmen zufällig. Es sind keine Schnappschüsse, sondern genau und konsequent beobachtete Momente, die an Henri Cartier-Bressons Credo des „decisive moment“ erinnern. Verglichen mit der Fotografie Cartier-Bressons entfalten Dziworskis Bilder aber eine deutlich eigenständige Ästhetik. Die Direktheit des Sehens und die gesteigerte Vitalität seiner Motive lässt den Betrachter immer wieder fasziniert in die Aufnahmen einsteigen. Ein weiterer wesentlicher Punkt für die andauernde Faszination ist die Einbeziehung von Humor und oft surrealen Momenten. Immer wieder zeigt sich: Nichts ist so verrückt, widersprüchlich und unrealistisch wie das, was wir als die reale Welt empfinden!

Bogdan Dziworski: „Meine Fotografien aus dieser Zeit sind nie inszeniert. Sie sind "erlaufen". Tag für Tag waren es manchmal acht Stunden, in denen ich fotografierte. Du musst auf diesen einen bestimmten Moment warten, in dem die Realität die Bühne selbst bestimmt. Du musst Glück haben. Und ich hatte es.“

Biografie:
Bogdan Dziworski wurde am 8. Dezember 1941 im polnischen Łódź geboren und studierte an der dortigen Filmhochschule. Als Kameramann, Regisseur und Dokumentarfilmer hat er zahlreiche Filme realisiert, und er war Dekan der Filmhochschule in Katowice. Sein fotografisches Werk geriet ab den 1980er Jahren verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit. Mittlerweile hat er zahlreiche Bildbände veröffentlicht und war an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt. 2017 präsentierte die Leica Gallery Warschau die umfassende Retrospektive „f/5.6“ mit begleitendem Katalog.

Die aktuelle Ausstellung fügt sich perfekt in das Programm der Galerie Hilaneh von Kories ein, ist doch die Präsentation von (Neu-)Entdeckungen ganzer fotografischer Lebenswerke ein wichtiger Teil ihrer Galeriearbeit. So wurden in den letzten Jahren u.a. folgende Fotografen ausgestellt: Herbert Dombrowski, Bill Perlmutter, Wolf Suschitzky und Vivian Maier, die bei ihrer ersten Präsentation in Deutschland 2011 noch eine völlig unbekannte Vertreterin der Street Photography war. Auch das fotografische Werk Bogdan Dziworskis wurde in seiner Vielfältigkeit und Bedeutung bisher nur unzureichend in Deutschland gewürdigt.