Größte Doppel-Carbon-Printausstellung verlängert

Noch bis 1. Juli verlängert wurde die Ausstellung von Alwin Maigler "Nuancen" mit Bildern von Tänzern des Stutgarter Ballets

Noch bis 1. Juli verlängert wurde die Ausstellung von Alwin Maigler "Nuancen" mit Bildern von Tänzern des Stutgarter Ballets. Die Prints wurden im aufwendigen Doppel-Carbon-Printverfahren gefertigt.

16. Juni 2023. Wer beim FineArtPrinter-Regional-Treffen in Stuttgart dabei war, darf sich glücklich schätzen, eine der raren Carbon-Print-Ausstellungen gesehen zu haben. Die hochinteressante Ausstellung mit Fotos von Alwin Maigler von Tänzern des weltbekannten Stuttgarter Balletts wurden als Doppel-Carbon-Print produziert. Vermutlich ist die aktuelle Ausstellung, die bis 1. Juli verlängert wurde, die weltgrößte Doppel-Carbon-Präsentation. Das Verfahren gehört zu den Edeldruckverfahren. Maigler fotografierte mit der Leica SL 2. Die Prints der 30 Motive realisierte der Fototechniker Mario P. Rodrigues in dem bereits vor Ausbreitung der Silberhalogenid-Fotografie entwickelten Carbon-Print Verfahren. Jeder Print ist ein Original.

Sommerliche Stimmung am Dienstag, 13. Juni In der Leica-Galerie in Stuttgarts Calwer Straße. Die FineArtPrinter-Leser und Gäste des Regionaltreffens werden von Holger Strehlow von der Stuttgarter Leica-Galerie und FineArtPrinter-Chefredakteur Hermann Will begrüßt. Strehlow gibt voller Begeisterung Prints von ersten Fotos, aufgenommen mit der brandneuen Leica Q3, in die Runde. Maximale Detailschärfe, auch bei Nachtaufnahmen, fallen angenehm auf. Mit 60 MP liefert der in der Q3 verbaute Sensor eine gigantische Auflösung, die für Prints weit über DIN A0 Reserven bietet.

 Verleihen die Carbon-Prints einen anderen Look?

Der folgende Ausstellungsrundgang weckte bei den Gästen Neugierde. Was ist an den Bildern anders? Alwin Maiglers Bilder verbreiten einen analog-Look, der so mit der SL kaum möglich sein kann. Doch über die Entstehung der Carbon-Prints gibt die Ausstellung bereitwillig Auskunft. An den Wänden hängen Arbeitsproben, Fehldrucke, Internegative und eine Arbeitsskizze, die den Ablauf des Carbon-Print-Verfahrens erklärt.

Großformatiges Negativ für den Carbon-Print

In vereinfachter Version kann man sich das Edeldruckverfahren dann leichter vorstellen, wenn man weiß, dass die Daten der Leica SL am Rechner bearbeitet werden können, um von den optimierten Daten ein Negativ im Format A2 zu drucken. Dazu eignet sich jeder Pigmentdrucker wie Canon Pro-1000, Epson P600/800 oder P900 oder eben ein Großformatdrucker: Als Film gilt unter Fachleuten der Pictorico Ultra Premium OHP Transparency Film (TPS100) IPF 121 (im Shop bei Imposition) als Empfehlung. Auf diesem Film druckt man mit PhotoBlack das vorher auf Graustufen reduzierte und in ein Negativ gewandelte und horizontal gespiegelte Bild und erhält vollkommen unkompliziert ein gedrucktes Negativ. Dieses gedruckte Negativ ist vielfach nutzbar. Beispielsweise für den textilen Lichtdruck, für Platindruck oder für Cyanotypien, wie in FineArtPrinter 3/2023 auf einer 6-Seiten-Strecke gezeigt, oder eben für das Carbon-Print-Verfahren.

Carbon-Gelatine-Mischung als Basis

Leider ist das gedruckte Negativ nur ein kleiner Schritt im Workflow bei der Erstellung von Carbon-Prints. Das Negativ dient nur dazu, einen mit Pigmenten und Gelatine beschichteten Film zu belichten. Zucker, Gelatine und Schwarzpigmente aus der Tube werden dazu bei etwa 50 Grad zu einer Emulsion gemischt und auf einen Film aufgegossen. Routiniers nutzen einen preiswerten Kamm, um die Carbon-Gelatine-Mischung blasenfrei auf der Folie zu verteilen. Nach mehrstündiger Trocknung der Gelatine wird diese lichtempfindlich gemacht. Waren die bisher genannten Zuschlagstoffe komplett harmlos, gilt bei den nun erforderlichen Lösungen aus Kalium-Dichromat oder Ammonium-Dichromat vorsichtig im Umgang, da bei Hautkontakt krebserregend. Beim Auftragen der Dichromat-Lösung ist Rotlicht sinnvoll. Man lässt die Lösung in Dunkelheit trocknen und anschließend werden Negativ und der schwarz beschichtete Film, der nun lichtempfindlich ist, zusammenmontiert und mit starker UV-Strahlung belichtet. Sonnenlicht kann dazu eingesetzt werden, allerdings erhält man so keine reproduzierbaren Ergebnisse. Besser ist es also in einen UV-Belichter zu investieren. Je nach Intensität der Lampe sind bis zu zehn Minuten Belichtung sinnvoll. Das UV-Licht härtet überall dort, wo das Negativ keine oder nur geringe Zeichnung aufweist, die Gelatine. Die Härtung ist umso intensiver, je mehr Lichteinwirkung. Im nächsten Schritt wird der belichtete Film in warmem Wasser für den Transfer vorbereitet, dabei quillt die ungehärtete Gelatine samt Pigmenten auf. Jetzt kommt der finale Transfer auf das Ziel-Papier. In der Stuttgarter Leica Galerie war dies ein Fabriano Artistico Aquarellpapier mit etwa 650 g/m2. Dieses Papier wird durch einen Gelatineauftrag so vorbereitet, dass es durch Anpressen auf das belichtete und gewässerte Medium die ungehärtete Gelatine ansaugt, so dass nach Trennen der beiden Medien die wenig gehärteten Bereiche, alsoallen grauen und schwarzen Bildelemene, auf dem finalen Trägermedium als Positiv haften bleiben.

Lampenruß Namensgeber für Carbon-Prints

Jetzt fragt sich jeder, weshalb man von Carbon-Print-Verfahren spricht, wenn doch Schwarz-Pigmente, Gelatine und Zucker gemischt werden? Ein Blick in die Geschichte der Fotografie hilft uns. Früher war der Ruß, also Carbon, aus Öllampen Rohstoff für Schwarzfärbungen aller Art und auch heute ist in schwarzer Schuhcreme ein wesentlicher Anteil an Ruß vorhanden.

Feine Grauwerte: Filme für Tiefen sowie Halbtöne und Lichter

Weshalb heißt das in Stuttgart angewendete Verfahren aber Doppeltransfer-Carbon-Printverfahren? Wenn wir ein Schwarzweiß-Negativ drucken, das möglichst den gesamten Tonwertumfang des Bildes repräsentiert, so erhalten wir eine klassische Wiedergabe mit einer großen Zahl an Schwärzen, Halbtönen und Lichtern. Das allerdings war Maigler und Mario P. Rodrigues zu wenig. Um noch mehr Halbtöne sichtbar zu machen, wurden zwei Filme mit verschiedenen Tonwert-Schwerpunkten gedruckt. Das macht die Sache bei der Belichtung doppelt kompliziert. Zunächst wurde der Film mit Lichtern und Halbtönen auf das Fabriano-Papier übertragen. Nachdem dieses Bild getrocknet war, kam die große Herausforderung: Die Belichtung der Tiefen auf das bereits vorhandene Motiv mit den Halbtönen und Lichtern. Ein winziger Versatz und der Doppeltransfer-Carbon-Print fällt nicht durch einen besonderen Tonwertreichtum auf, sondern durch eine doppelte Kontur. Dass auch das passierte und entsprechende Fehldrucke gezeigt werden, machte die Ausstellung in der Suttgarter Leica-Galerie zusätzlich sehenswert.

Die Ausstellung mit den Aufnahmen von Alwin Maigler im Doppeltransfer-Carbon-Printverfahren gefertigten Prints zeigt einmal mehr die Möglichkeiten hybrider Workflow-Lösungen auf. Maigler, Jahrgang 1996, ist Autodidakt und wurde bereits 2019 Junior Member im BFF und 2021 zum jüngsten BFF Professional in der Verbandshistorie. Seit 2020 studiert er an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Maiglers Schwerpunkte sind Mode-, Porträt- und Kunstfotografie. Seine Arbeiten erschienen unter anderem in Harper’s Bazaar, Vogue, L’officiel, Marie Claire und Cosmopolitan.

Die Ausstellung „Nuancen“ von Alwin Maigler ist noch bis zum 1. Juli 2023 in der  Leica Galerie Stuttgart (Calwer Straße 41) von Montag bis Samstag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Unsere Bildergalerie zeigt Aufnahmen aus der Ausstellung, die ebenfalls dort ausgestellte Workflow-Skizze wurde von Holger Strehlow den Besuchern erläutert. Nach der Ausstellung saßen die Teilnehmer des Regionaltreffens beim Abendessen noch zusammen und tauschten sich aus. Fotos: ©Holger Strehlow, Hermann Will